Zertifizierungen
v.l.n.r.: Dr. Robert Peer, Dr. Luca Armanaschi. Dr. Oswald Mayr, Dr.in Martha Stocker, Dr. Massimo Dutto
- Die Entstehung des Südtiroler Netzwerks für die onkologische Betreuung
- Ziele und Pfeiler des Zertifizierungsmodells der onkologischen Betreuung in Südtirol
- Prämierungen & Anerkennungen
Das Projekt zur Zertifizierung für die onkologische Betreuung
Der Südtiroler Sanitätsbetrieb hat 2015 für 29 Abteilungen und Dienste innerhalb des landesweiten onkologischen Netzwerkes die internationale Qualitätszertifizierung ISO 9001 erhalten. Diese wichtige Anerkennung wurde von einem internationalen Team der Zertifizierungsgesellschaft Bureau Veritas verliehen und ist das Ergebnis einer intensiven Arbeit im Rahmen der Reform der onkologischen Betreuung in Südtirol, die seit Januar 2014 umgesetzt wird. Die qualitativ hohen Betreuungsstandards, die das Fachpersonal täglich den onkologischen Patientinnen und Patienten entgegenbringt, werden in den vier Krankenhäusern Bozen, Meran, Brixen und Bruneck in regelmäßigen Abständen durch internes Fachpersonal mittels internen Audits regelmäßig kontrolliert. Der Südtiroler Sanitätsbetrieb hat 2020 beschlossen sich zukünftig auf eine Zertifizierung durch Accreditation Canada, eine unabhängige Organisation im Bereich der Zertifizierung und Akkreditierung des Gesundheitssektors, zu stützen und bereitet diese zurzeit vor. Das Südtiroler Qualitätssystem für die onkologischen Patientinnen und Patienten baut auf ein doppeltes und unabhängiges Zertifizierungssystem auf:
- Zertifizierung entsprechend der Qualitätsanforderungen der ISO-Norm 9001\ Accreditation Canada
- Klinische Zertifizierung für jedes onkologische Krankheitsbild, ausgestellt von internationalen spezialisierten Zertifizierungsgesellschaften
Diese zweite Zertifizierungsform, welche die Überprüfung der klinisch-professionellen Anforderungen seitens europaweit anerkannten Zertifizierungsgesellschaften vorsieht, ist ein prioritäres Ziel des Südtiroler Sanitätsbetriebes. Auch für diese zweite Art der Zertifizierung überprüft ein Team aus Experten, die in internationalen Exzellenzzentren tätig sind, in jährlichen Abständen, ob die qualitativen, organisatorischen und strukturellen Qualitätsstandards in Südtirol denen der onkologischen Referenzzentren Europas entsprechen.
Die Entstehung des Südtiroler Netzwerks für die onkologische Betreuung
Vor der Reform der onkologischen Betreuung (2014) gab es in Südtirol ein uneinheitliches und bruchstückhaftes Angebot: in allen sieben Krankenhäusern und in den vertragsgebundenen Privatkliniken wurden onkologische Eingriffe durchgeführt. In einem so begrenzten Einzugsgebiet (ca. 500.000 Einwohner) mit nur einem Sanitätsbetrieb hatte diese Uneinheitlichkeit eine Vielzahl an unterschiedlichen therapeutischen Betreuungspfaden für Krebspatientinnen und -patienten zur Folge, die zudem nicht immer den neuesten wissenschaftlichen Leitlinien der Onkologie entsprachen. Außerdem wurde in den wenigsten dieser Krankenhäuser eine interdisziplinäre Behandlungsstrategie angewandt, unter anderem deshalb, weil es nicht möglich war, immer und überall die Anwesenheit des notwendigen Fachpersonals für die optimale onkologische Betreuung zu garantieren.
Da es notwendig erschien, eine geeignete und angemessene Behandlung mit bestmöglicher Qualität in Südtirol zu gewährleisten, konnte eine solche Ungleichheit nicht mehr vertreten werden. So haben der Südtiroler Sanitätsbetrieb in Zusammenarbeit mit dem Assessorat für Gesundheit ein neuartiges Betreuungsmodell für die onkologischen Patientinnen und Patienten geschaffen, das im Stande ist, Qualitätsstandards zu garantieren, die denen der internationalen onkologischen Referenzzentren nicht nachstehen.
Im Jahr 2011 wurde im Rahmen des Projekts ein wissenschaftliches Komitee gegründet, das von der Sanitätsdirektion des Südtiroler Sanitätsbetriebes koordiniert wurde. Es definierte die strukturellen und organisatorischen Qualitätsanforderungen, die im Einklang mit der entsprechenden wissenschaftlichen Literatur bei der Erbringung von onkologischen Leistungen gewährleistet sein müssen. Zudem wurden, spezifisch für jedes onkologische Krankheitsbild, die wichtigsten klinischen Prozessindikatoren festgelegt, die regelmäßig erhoben werden, damit man über eine Informationsbasis für die klinische Performance in Südtirol verfügt.
Das Projekt zur onkologischen Reform in Südtirol umfasst bis heute die Betreuungspfade folgender Krankheitsbilder:
- bösartige Tumore des Darmtraktes, der Bauchspeicheldrüse, der Leber, der Speiseröhre und der Schilddrüse;
- bösartige Tumore der Prostata, der Nieren, der Blase und der Hoden;
- bösartige Tumore der Brust und der weiblichen Genitalien;
- bösartige Tumore des Kopf-Hals-Bereichs.
Alle hier nicht erwähnten Krebsarten werden derzeit im Rahmen des Projekts für die Zertifizierung der onkologischen Betreuung noch nicht berücksichtigt. Es ist aber Ziel, diese in einem späteren Moment miteinzubeziehen.
Das Zertifizierungsmodell der onkologischen Betreuung sieht innerhalb der betroffenen Abteilungen und Dienste folgende Aufteilung vor:
- zertifizierte Abteilungen und Dienste, die ermächtigt sind, onkologische Eingriffe durchzuführen
- Abteilungen und Dienste, die die Ermächtigung zur Durchführung onkologischer Eingriffe zwar nicht mehr haben, aber dennoch eine wichtige Rolle im nicht-chirurgischen Behandlungsprozess spielen. Dies betrifft insbesondere die Grundversorgungskrankenhäuser Schlanders, Sterzing, Innichen und die vertragsgebundenen Privatkliniken, die keine onkologischen Eingriffe durchführen dürfen, aber für die Diagnostik und die Nachsorge von onkologischen Erkrankungen ein Bezugspunkt bleiben.
Konkret bedeutet dies, dass die prätherapeutische Diagnostik und die weiterführende Therapie in einem wohnortnahen Krankenhaus durchgeführt werden, während der chirurgische Eingriff in einer dafür autorisierten und ausgerichteten Krankenhausabteilung stattfindet, die je nach Art des Tumors variieren kann. Zwischen allen Abteilungen, die sich um onkologische Patientinnen und Patienten kümmern wird ein Kollaborationsprotokoll angewendet, das die korrekte Betreuung von der Diagnose bis zur Nachsorge garantieren soll.
Das gesamte Modell ist als Beschluss Nr. 131 am 28.01.2013 einstimmig von der Landesregierung verabschiedet worden und stellt einen der Schwerpunkte des aktuellen Gesundheitsplans der Provinz Bozen dar.
Ziele und Pfeiler des Zertifizierungsmodells der onkologischen Betreuung in Südtirol
Die Reform der onkologischen Betreuung in Südtirol verfolgt als Hauptziel eine Betreuung der Patientinnen und Patienten mit der Garantie einer Behandlung nach den höchsten Qualitätsstandards der onkologischen Therapie und Pflege.
Im Januar 2014 wurde mit der Umsetzung des Projekts für die Zertifizierung der onkologischen Chirurgie begonnen, mit dem spezifischen Ziel landesweite klinische Netzwerke pro Krankheitsbild zu schaffen und somit:
- die Qualität der Ergebnisse zu verbessern, durch eine Verbesserung der Überlebensrate und der Angemessenheit der Behandlungen,
- landesweite einheitliche Behandlungspfade und Therapiekonzepte anzuwenden, die den international anerkannten Standards für klinische Effektivität entsprechen und evidenzbasiert sind.
Die Basis für das Reformmodell der onkologischen Betreuung in Südtirol ruht auf folgenden Grundprinzipien:
- Jährliche Mindestanzahl chirurgischer Eingriffe (System des "credentialing und privileging"): Nur jene Krankenhäuser, die jährlich die Mindestanzahl chirurgischer Eingriffe (Schwellenwert der Struktur) erreichen, sind zur onkologischen Chirurgie ermächtigt. Auch die Ärzte müssen eine bestimmte Anzahl von chirurgischen Eingriffen vorweisen, damit sie offiziell von der Sanitätsdirektion als zugewiesene Chirurgen ermächtigt werden. Damit soll den Patientinnen und Patienten garantiert werden, dass diese speziellen chirurgischen Eingriffe nur von Fachärzten mit besonderer täglich weiter entwickelter klinischer Expertise durchgeführt werden (Schwellenwert pro Operateur).
Es ist zweifelsfrei erwiesen, dass ein vorteilhafter Zusammenhang zwischen der Anzahl der chirurgischen Eingriffe und der Qualität der Ergebnisse besteht: dies bedeutet eine Reduzierung der Krankenhausmortalität, der Komplikationen, der Dauer des Aufenthalts, der Wiederaufnahmen im Krankenhaus und der Kosten.
Anhand dieser Kriterien wurden in Südtirol folgende Ernennungen ausgesprochen:
a. zertifizierte Abteilungen, die zur Betreuung von Menschen mit Tumorerkrankungen ermächtigt sind
b. ca. 45 für die Tumorchirurgie zugewiesene Chirurgen,
c. ca. 22 zugewiesene Endoskopisten für die Durchführung von Koloskopien,
d. ca. 10 zugewiesene Radiologen spezialisiert im Befunden von Mammographien für Diagnostik und Screening,
e. ca. 27 Röntgentechniker für die Durchführung der Mammographien.
Für jede dieser Berufsfiguren wurde eine Mindestanzahl an Leistungen festgelegt, die jährlich durchgeführt werden müssen, um hohe Qualitätsstandards garantieren zu können. Das implementierte System ist dennoch flexibel: um den Generationenwechsel gewährleisten zu können, können 50% der jährlich erforderlichen Eingriffe von einem nicht autorisierten Erstoperateur mit Unterstützung eines zugewiesenen Chirurgen als sogenannter Senior-Operateur durchgeführt werden. -
Indikatorenraster: Es dient der einheitlichen Messung der Versorgungsqualität von onkologischen Patientinnen und Patienten in Bezug auf festgelegte Kriterien. Für jedes Krankheitsbild wird ein klinisches Indikatorenset festgelegt, das den gesamten Betreuungspfad abdeckt und den verschiedenen Fachärzten einen klinischen Austausch ermöglicht. Nur auf diese Weise ist es möglich, Qualitätsstandards zu definieren und eventuelle Verbesserungspotenziale zu erkennen, um eine Behandlungsqualität zu erreichen, die den besten internationalen Krankenhäusern entspricht.
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Aktivierung von Tumorboards: Das Tumorboard oder interdisziplinäre Fallbesprechung stellt mittlerweile einen Standard in der modernen onkologischen Therapie dar. Ziel dieser interdisziplinären Treffen ist es, die Entscheidung über die Behandlungsstrategie vom einzelnen Arzt oder dem einzelnen Fachgebiet auf ein multidisziplinäres Team zu übertragen, in dem die Fachexperten aller beteiligten Bereiche mit einbezogen werden. Dies garantiert, dass die Entscheidung zwischen den verschiedenen Therapieoptionen von den Experten aller Fachbereiche der sieben Landeskrankenhäuser gemeinsam getragen wird. Im Südtiroler Sanitätsbetrieb treffen sich die Experten der beteiligten Fachbereiche wöchentlich über Videokonferenz um gemeinsam die geeignetste Behandlungsstrategie für die onkologischen Patientinnen und Patienten zu finden. Außerdem können gegebenenfalls auch international anerkannte Exzellenzzentren oder die Universitätsklinik von Innsbruck einbezogen werden.
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Internationales Benchmarking: Ist ein strukturierter Vergleich der klinischen Performance zwischen verschiedenen Krankenhäusern Europas. Zur Unterstützung der betriebsweiten Tumorboards ist für die zertifizierten onkologischen Krankheitsbilder eine web-basierte Software entwickelt worden, die dem betroffenen Fachpersonal zur Verfügung steht. Darin fließen alle Daten der Patientinnen und Patienten ein, von der Diagnose, über die Therapie, die Entscheidung des Tumorboards, bis zur Tumornachsorge. Dank dieser klinischen Informationsplattform ist es möglich, zum Beispiel über klinische Zertifizierungen, an internationalen Benchmarkings teilzunehmen und somit die klinische Leistung kontinuierlich mit dem europäischen Standard zu vergleichen.
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Die Personalentwicklung basiert auf einem Modell der Bewertung und Entwicklung der beruflichen Fähigkeiten aller am onkologischen Betreuungspfad beteiligten Berufsfiguren. Es wurde ein Bewertungsmodell entwickelt, bei dem die Kompetenzen für jedes einzelne Krankheitsbild ausgewertet werden:
a. Die transversalen Kompetenzen: für die verschiedenen Berufsfiguren gemeinsam und nicht an die Pflegebetreuung gebunden (z.B. Kommunikation und soziale Kompetenzen)
b. Die fachspezifischen Kompetenzen: an die Berufsfigur und die Pflegebetreuung gebunden
Die Bewertung erfolgt auf mehreren Ebenen:
a. Die Selbsteinschätzung
b. Die Bewertung durch den Vorgesetzten. Aus den Ergebnissen dieser Kompetenzbewertung wird der spezifische Weiterbildungsbedarf ermittelt. -
Transparenz und Einbeziehung der Patientenvereinigungen: In jeder Phase der Implementierung des Projekts ist dies ein ausschlaggebender Aspekt für die Verbesserung der Gesamtqualität. Dank der Unterstützung der Patientenvereinigungen war es möglich:
a. einen Fragebogen zur Erhebung der Patientenzufriedenheit in allen, am onkologischen Betreuungspfad beteiligten Abteilungen zu verteilen
b. das Internetportal „Krebsinfo“ zu veröffentlichen, das alle notwendigen und wissenschaftlich gültigen Informationen über Vorbeugung, Ursachen, Verbreitung, Symptome, Diagnose, Therapieangebot im Südtiroler Sanitätsbetrieb von der Diagnose bis zur Nachsorge enthält. -
Das Zertifizierungssystem stellt eine Garantie für die Patientinnen und Patienten dar, dass die im Südtiroler Sanitätsbetrieb angebotenen Dienste und Leistungen den klinischen und qualitativen Standards der nationalen und internationalen Normen entsprechen. Diese werden im Südtiroler Sanitätsbetrieb durch eine unabhängige wissenschaftliche Zertifizierungsgesellschaft überprüft. Dieses Modell garantiert:
a. die Verbesserung der Qualität in der Betreuung dank der Konzentration klinischer Leistungen in den spezialisierten Zentren
b. die Steigerung der Überlebensrate und eine Verbesserung der Lebensqualität
c. die Schaffung klinischer Netzwerke und somit die Zusammenarbeit der Spezialisten innerhalb des onkologischen Betreuungspfades der sieben Krankenhäuser Südtirols, d.h. eine höhere Wettbewerbsfähigkeit und den Erhalt der Attraktivität für das Südtiroler Gesundheitssystem.
Prämierungen & Anerkennungen
Das Projekt ist auf nationaler sowie internationaler Ebene auf großes Interesse gestoßen und wurde auf verschiedenen Fachtagungen vorgestellt und in einigen Fällen auch ausgezeichnet:
- 2019: Zertifizierung der onkologischen Chirurgie im Südtiroler Sanitätsbetrieb laut ISO-Norm 9001: Zertifikatübergabe 21.05.2019
- 2017: Preis „more than Pink“ für innovative Dienste und Technlogien, Mailand 6.11.2017
- 2017: Preis "Innova S@lute 2017" für die Kommunikation mit den Bürgern und den Patienten von ForumPA, Rom 21.9.2017
- 2016: Auszeichnung für „Digitale Innovation im Gesundheitswesen”, Technische Fachhochschule Mailand
- 2016: „E.T. Award 2016“, der österreichische Telemedizin-Preis für innovative Patientenkommunikation zum Anlass der Tagung eHealth Summit Austria, Wien
- 2014: Vorstellung auf der Fachtagung für Primare und Führungskräfte des Sanitätsbetriebes Modena, Modena
- 2014: „Umsetzung von Qualitätsstandards am Beispiel Südtirols”, Vorstellung am 9. Forum für Risk Management, Arezzo
- 2014: Vorstellung auf der Fachtagung für Primare und Führungskräfte des Sanitätsbetriebes Modena, Modena
- 2013: Präsentation des Best-Practice Modell „Zertifizierung der onkologischen Chirurgie - Das Modell der Autonomen Provinz Bozen - Südtirol” auf Einladung der Nationalen Agentur der regionalen Gesundheitssysteme „Agenas“ und der Vereinigung der im Krankenhaus tätigen Chirurgen Italiens „ACOI“, Rom